
Der besondere Fund
KURZGESCHICHTEN
10/27/20252 min read


Der besondere Fund
Gerard spürte, wie die glühende australische Sonne ihm in den Nacken brannte, als er in seiner engen, dunklen Schürfgrube, tief unter dem Ockerboden Coober Pedys, hockte. Zehn Jahre hatte er sein Leben dieser Hoffnung gewidmet: dem "Licht", dem funkelnden Versprechen des Opals. Zehn Jahre voller Staub, Schweiß und der bitteren Enttäuschung, nur taubes Gestein oder wertlose "Potch" (gemeiner Opal) zu finden.
Sein Atmen war schwer, der Sauerstoff knapp. Mit seiner kleinen Spitzhacke klopfte er methodisch gegen die Tunnelwand, ein meditatives Geräusch, das nur vom dumpfen Echo des Untergrunds beantwortet wurde.
Klopf. Klopf. Klopf.
Plötzlich, ein Geräusch, das anders klang. Nicht das stumpfe Thud des Sandsteins, sondern ein leichtes, fast melodisches Klong. Er hatte eine versteckte, dünne Schicht aus "Sand-Clay" durchbrochen. Sein Herz machte einen Sprung, den es seit Jahren nicht mehr getan hatte.
Vorsichtig, mit einem alten Schraubenzieher, begann er, das weiche Material abzukratzen. Der Dreck rieselte ihm ins Gesicht, aber er ignorierte es. Er konzentrierte sich nur auf den kleinen, sich enthüllenden Hohlraum.
Da war es.
Nicht nur ein einzelner Stein, nicht ein kleiner Fleck. Ein Strang. Ein Riss im Fels, der sich über fast einen Meter hinzog, gefüllt mit Opalsubstanz.
Gerard hielt inne, seine Hand erstarrt. Es war, als ob eine Ader flüssigen Regenbogens durch den Fels floss. Die Opalschicht war dick, schimmerte schon im Schein seiner Stirnlampe tiefblau, grün und feurig rot. Es war Black Opal, die wertvollste Sorte.
Er begann, den Strang freizulegen, Stück für Stück, die Augen feucht vor Anspannung und Unglauben. Er arbeitete langsamer und vorsichtiger als je zuvor in seinem Leben. Jeder entfernte Brocken war ein Akt der Anbetung.
Als er das gesamte Stück freigelegt hatte, leuchtete er direkt darauf. Die Lampe schien die Opale zum Leben zu erwecken: Sie tanzten, sie flüsterten, sie schrien in Farben. Es war kein einzelner Edelstein, es war ein ganzes Schatzkästchen, ein "Nähkästchen" voller perfekt geformter, leuchtender Steine. Einer war so groß wie sein Daumen, ein anderer ein langer, funkelnder Streifen.
Gerard sank in den Staub. Er lehnte den Kopf an die kalte Wand, seine Hand noch immer auf dem unbezahlbaren, leuchtenden Strang. Er lachte, ein trockenes, heiseres Lachen, das in der Enge des Tunnels widerhallte. Zehn Jahre des Wartens waren in diesem einen, atemberaubenden Moment explodiert.
Er hatte nicht nur einen Opal gefunden; er hatte sein Glück gefunden, seinen Triumph, die Bestätigung eines Traumes, der so alt war wie der Wüstenstaub, der ihn umgab. Und in diesem dunklen Loch, eine halbe Welt vom nächsten Baum entfernt, leuchtete der Regenbogen in seiner Hand.

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